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Editorial


Recht ist komplex. Manche Wirkung einer einzelnen Norm oder eines Normenwerkes ist ebenso weitverzweigt wie überraschend.

Diese Überraschung könnte derzeit den Autoren einer Aktualisierung des Gesetzes für den Ausbau erneuerbarer Energien (Erneuerbare-Energien-Gesetz – EEG) begegnen, umgekehrt aber auch den Vertretern – hie und da auch Apologeten – anderer Normenwerke wie namentlich des Luftverkehrsrechts.

Mit Geltung ab 1.1.2019 wurde dem § 9 des EEG ein Absatz 8 angefügt, nach welchem bis zum 1.7.2020 „Betreiber von Windenergieanlagen an Land, die nach den Vorgaben des Luftverkehrsrechts zur Nachtkennzeichnung verpflichtet sind, (…) ihre Anlagen mit einer Einrichtung zur bedarfsgesteuerten Nachtkennzeichnung von Luftfahrthindernissen ausstatten“ müssen.

Vordergründig ist damit eine Regelung über das Vergütungswesen nach dem EEG getroffen worden. Es darf aber vermutet werden, dass nicht allein das Recht der Vergütung das gesetzgeberische Motiv für die Änderung abgab. In der Begründung für die betreffende EEG-Änderung heißt es einleitend: „Windenergieanlagen blinken in der Nacht rot, um für Flugzeuge erkennbar zu sein. Damit blinken die Anlagen den größten Teil (95 – 100 Prozent) des Jahres völlig unnötig, da sich die meiste Zeit keine Luftfahrzeuge im Windpark-Umfeld bewegen.“ Einleitend so begründet kann die Gesetzesänderung auch als auf die Nachtkennzeichnung – im Allgemeinen: Befeuerung – von Windenergieanlagen (WEA) abzielend verstanden werden, konkret: auf die von dieser Befeuerung ausgehenden Lichtimmissionen. Allerdings: Letzteres bleibt in der Gesetzesbegründung unausgesprochen. Dieses Schweigen könnte auch seine Gründe haben, denn würde man ausdrücklich ein immissionsschutzrechtliches Ziel verfolgen, würde man eventuell Ansprüche Dritter generieren, die sich eine Reduzierung nächtlichen Blinkens der Befeuerung von WEA wünschen.

Nun also „nur“ eine vergütungsrechtliche Bestimmung zur Bedarfsnachtkennzeichnung, indem an Betreiber von WEA ein finanzieller Anreiz gerichtet wird: Wer WEA betreibt, die nach dem 1.7.2020 nicht der neuen technischen Vorgabe entsprechen, d.h. die ab diesem Zeitpunkt über keine Einrichtung zur bedarfsgesteuerten Nachtkennzeichnung (BNK) verfügen, erleidet bei der Vergütung der mit seinen WEA erzeugten Energie Einbußen.

So weit, so gut. Für noch zu genehmigende WEA ist die Rechtsentwicklung kein Problem, wenn und soweit nun der Genehmigungsantrag auch darauf ausgerichtet ist bzw. wird, dass die beantragten WEA mit einer Einrichtung zur bedarfsgesteuerten Nachtkennzeichnung ausgestattet sein werden. Hier kann auch die Einrichtung zur BNK konventionell, d.h. immissionsschutzrechtlich genehmigt werden, indem in jenes Verfahren hinein die Zustimmung der Luftfahrtbehörde eingeholt wird.

Schwieriger sieht das allerdings aus, wenn es um Bestands-WEA geht, also solche, die bereits aufgrund erteilter immissionsschutzrechtlicher Genehmigung betrieben werden.

Es wird ebenso unbestritten sein wie es letztlich dem Wunsch nach möglichst umfassender Reduzierung von Lichtimmissionen entgegensteht, dass die Befeuerung von WEA für die Sicherheit des Luftverkehrs unabdingbar ist. Der oben angedeuteten Gemeinsamkeit von Immissionsschutz und Akzeptanzinteressen gesellt sich damit ein Umstand hinzu, der sich als „luftverkehrssicherheitliche Erwägungen“ (§ 12 Abs. 2 S. 4 LuftVG) schon als Wortungetüm gibt. Und tatsächlich ist dieser Umstand der normativen Geselligkeit abträglich – aber eben doch zwingend.

Die Benutzung des Luftraums durch Luftfahrzeuge ist frei, so heißt es in § 1 Abs. 1 LuftVG. Natürlich kann diese Freiheit beschränkt werden, hieran lässt dieselbe Bestimmung im Weiteren keinen Zweifel. Unzweifelhaft aber ist es auch, dass die dem Grunde nach freie Nutzung des Luftraums vor Gefahren geschützt werden muss, die sich mit anderweitiger Nutzung verbindet, namentlich wenn diese Nutzung vom Boden in den Luftraum hineinragt.

Dem dient es, wenn WEA mit einer Befeuerung versehen werden müssen. Nach demselben Maß ist dann auch die Ausstattung einer WEA mit einer Einrichtung zur BNK zu beurteilen. Wenn also nun bis zum 1.7.2020 auch Bestandsanlagen mit einer solchen Einrichtung „nachgerüstet“ werden sollen, kann dies nur aufgrund eines wenigstens gleichwertigen Verfahrens zugelassen werden, wie es für die Zulassung von Neuanlagen gilt.

Die neue Rechtslage nach EEG wurde indessen ganz ohne verfahrensrechtliche Bestimmung gesetzt, woran sich zeigt: Hier hat der Gesetzgeber die Komplexität der Rechtslage verkannt.

Also Zulassung der BNK nach BImSchG? Aber warum soll der Umstand, dass eine Bestandsanlage (oder eine Vielzahl dieser) mit der Einrichtung zur BNK ausgestattet werden soll, zwingenden Anlass zu einem immissionsschutzrechtlichen Änderungsgenehmigungsverfahren geben? Oder auch nur zu einem freiwilligen Änderungsgenehmigungsverfahren? Gibt es hier überhaupt einen Tatbestand, der immissionsschutzrechtlich zu manifestieren wäre?

Es geht gerade nicht um Sicherung des Schutzes vor Immissionen, sondern um Sicherung des Schutzes durch Immissionen. Kern des Gesetzes ist und bleibt nämlich die Aufrechterhaltung der Befeuerung, nicht deren Beseitigung. Man mag die Minderung von Immissionen wollen; den Verbleib der Befeuerung im luftrechtlich nötigen Maß wird man dennoch hinnehmen müssen. Anderenfalls würde die Sicherheit des Luftverkehrs im Umfeld der betreffenden WEA in einer Weise beeinträchtigt werden, die den gewollten Immissionsschutz zur Farce machen würde.

Befreiung wollen viele, Belastung wenige und es hat sich regelmäßig zu rechtfertigen, wer den Ruf nach Belastung vorträgt. Es ist deshalb nun an den Luftverkehrsbehörden, in einem Verfahren in ihrer Zuständigkeit „nach den Vorgaben des Luftverkehrsrechts“ (§ 9 Abs. 8 EEG) die Umsetzung der Rechtslage und die Etablierung bedarfsgesteuerter Nachtkennzeichnung an WEA voranzubringen.

Carsten Diekmann, Potsdam

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